Festival-Nachbericht

New Fall Festival 2013


Besondere Musik in einem besonderen Rahmen. Nicht mehr und nicht weniger verspricht das Düsseldorfer New Fall Festival, mittlerweile in seinem dritten Jahr. Und mit Element Of Crime und Tocotronic in einer Philharmonie, Nils Frahm (s. Foto) und Moddi in einem runden, gemütlichen Kuppelsaal und Friska Viljor oder Wallis Bird in einem Saal für Kammermusik wird dieses Versprechen fulminant gehalten.

Seit nun schon drei Jahren ist das New Fall Festival eine Bank des guten Geschmacks in der Düsseldorfer Kulturlandschaft – da kann man doch fast von einer Tradition sprechen. Schön wäre es, wenn diese noch lange anhalten würde. Denn das Konzept des New Fall Festivals, außergewöhnliche Künstler in einen außergewöhnlichen Rahmen zu laden, ist nicht nur eine gute Idee, sondern funktioniert auch in der Praxis ganz wunderbar. Diese Locations lassen das Publikum aber auch ohne jede Möglichkeit des Widerstands andächtig ob der Musik werden. Größte der drei Locations ist die Tonhalle: Ein ehemaliges Planetarium, welches erst in den siebziger Jahren zum Konzerthaus umgebaut wurde. Der Sternenhimmel allerdings ist geblieben und wird zu manchen Anlässen – etwa dem Tocotronic-Konzert – noch angeschaltet. Der Robert-Schumann-Saal ist ein klassischer Konzertsaal, der speziell für Kammermusik errichtet wurde und mit exquisitem Sound glänzt. Kleinste Location ist der Da-Vinci-Saal. Er befindet sich in einem japanischen Hotel und ist ein wunderschön anmutender, runder Raum für Live-Musik, der an das Halderner Spiegelzelt nicht nur dank der Form, sondern auch dank der Atmosphäre erinnert. Dort finden in diesem Jahr erstmals beim New Fall Festival ganz besondere Late-Night-Shows statt, es spielen etwa der norwegische Songwriter Moddi oder der Berliner Pianist Nils Frahm am Freitagabend des Festivals.

Beim Betreten des Saals wird dem Besucher umgehend wohlig durch passives Licht, Teppich im ganzen Saal und eine weiße Kuppel in der Mitte, unter der Frahms Equipment auf einer kleinen Bühne aufgebaut ist. Dies ist genau der richtige, intime Rahmen für das maximale Erlebnis der sphärischen, ausufernden Soundeskapaden des Erased-Tapes-Künstlers. Im gesamten Saal sind lediglich ein paar Sitzkissen verteilt, keine Bestuhlung. Näher kann man dem Künstler nicht kommen und sich auch nicht mehr in der Musik fallen lassen als alle Viere von sich gestreckt auf dem Teppich. Auch Frahm zeigt sich sichtlich glücklich über diesen Auftritt, freut sich darüber, wie gemütlich die Atmosphäre ist. Als er eingangs übers Publikum zum Mischer fragt, wie lange er eigentlich spielen dürfe, rufen zwei Zuschauer intuitiv: "Lange!" Zum Verhältnis zwischen Publikum und Künstler ist damit eigentlich auch alles geklärt. Und so spielt er sich dann auch in den von ihm gewohnten Rausch: In diesen zwei nächtlichen Stunden verschmelzen die Musik Frahms und das Publikum zu einem Haufen gemütlicher Erregung. Hauptsächlich mit Piano, Fender Rhodes und einigen Bassklängen wandert er passend zum Bodenbelag einmal über seinen kompletten Klangteppich.

Am nächsten Tag geben sich in der Tonhalle dann keine anderen als die "elder statesman" der deutschsprachigen Indiekultur von Tocotronic die Ehre. Es ist wirklich bemerkenswert, wie stilvoll die Band altert, wenn man davon überhaupt sprechen kann. Der Sound ist wie gewohnt druckvoll und die vermeintlich beste deutsche Rockband rockt sich durch ein Set, wie es keine zweite könnte. Es ist eine Wonne, ihnen dabei zuzusehen, allen voran von Lowtzow, dessen Charisma wohl in den nächsten 3-5 Jahren explodieren wird, wenn es weiterhin so rasant steigt. Wenige sehen an Gitarre und Gesang so elegant aus. Geschickt verwebt die Band altes und neues Material, spätestens ab dem zweiten Song "Let There Be Rock" ist klar, in welche Richtung der Abend gehen soll. Dabei ist die Band mittlerweile auf einem Status, bei dem sie sich nahezu jeden Quatsch erlauben kann, einfach nur, weil sie Tocotronic sind: Die Bühne ist geziert von haufenweise Plüschenten. Später stellt sich heraus, dass diese extra für die Tour angefertigt wurden und Daphne heißen, es gibt sie nicht zu kaufen, aber sie werden ins Publikum geworfen. Ebenso auf der Bühne: Eine riesige Vase Blumen, nach und nach ins Publikum geworfen. Im Hintergrund prangt ein riesiger Panther. Vor dieser Kulisse muss man sich von Lowtzow vorstellen, wie er am Ende des letzten Mainset-Songs "Ich Möchte Irgendwas Für Dich Sein" an die erste Reihe herantritt, die Faust in die Höhe reckt und "Music is the healing force in universe" skandiert, drei Minuten lang. Tocotronic machen den Trash salonfähig. Und natürlich bringt die zwei Stunden Konzert niemand besser auf den Punkt als von Lowtzow selbst: "Tocoroll will never die!" Am nächsten Tag freut auch die Band sich über einen gelungenen Abend und schreibt, dass sie, in Anspielung auf den Sternenhimmel in der Tonhalle, den Sternen noch nie so nah gewesen sei.

Diese besonderen Eindrücke stammen nur von zwei Konzerten des Wochenendes, weil man sich nun mal entscheiden muss. Dies ist natürlich nicht gerade einfach, denn mit Sicherheit waren die anderen Konzerte ähnlich lohnenswert. Wer in seinem dritten Jahr in diesem Ambiente bereits The Notwist, Tindersticks, Get Well Soon, Ólafur Arnalds, Agnes Obel, Junip etc. aufbieten konnte, der schraubt natürlich die Ansprüche des Publikums für die Folgejahre nicht gerade nach unten. Doch mit Sicherheit werden die Veranstalter auch im Folgejahr nicht enttäuschen. Und wenn auch das Programm natürlich noch auf sich warten lässt – ein paar Dinge hat das New Fall Festival 2014 schon sicher: Ein aufmerksames Publikum, wunderbare Locations, vollständige Konzertspielzeiten und, davon gehen wir einfach mal aus, eine Menge guter Musik. New Fall Festival, wir sind ab jetzt gute Freunde. Immer gerne wieder!

Daniel Waldhuber

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