Festival-Nachbericht
MTV Campus Invasion
Wir als Marburger könnten diesen Bericht natürlich mit einer Lobhymne auf unser traumhaft schönes Städtchen einleiten - aber beginnen wir ihn doch lieber so, wie Markus Kavka die Show. Als er um ca. 16.00 Uhr die nach seiner Aussage 10.000 Besucher der MTV Campus Invasion in Marburg begrüßte, ließ er es sich nicht nehmen, den ältesten Kalauer, den er kannte, auf das Publikum loszulassen: "Marburg hat keine Universität - Marburg ist eine." Man muss ihm allerdings eingestehen, dass er sich der mangelnden Kreativität dieser Aussage bewusst war, und so machte er aus dem schlechten Witz einen guten. Markus Kavka, die gute Seele von MTV, teilte sich die Moderation des Events im Folgenden mit seiner reizenden Kollegin Mirjam Weichselbraun.
Jamie T. und Band waren die ersten, die sich nach Kavkas kurzer Rede der Aufgabe widmeten, auch diejenigen Zuschauer zu überzeugen, die hauptsächlich wegen Mando Diao gekommen waren. Dabei stach Jamie höchstpersönlich sowohl mit seinem Outfit aus Truckercap und Holzfällerhemd als auch mit seiner sympathischen Ausstrahlung hervor, Dinge, die viele Mando-Diao-Fans vermutlich so noch nicht kannten und die ihn in seiner Mission meilenweit zurückwarfen. Die restlichen 10% des Publikums mussten also schon rein rechnerisch mindestens 110% (für die Hobby-Mathematiker: eigentlich 1000%) geben, was sie erfreulicherweise auch taten. Das sommerliche Set, das sowohl mit einigen Perlen das aktuellen Albums "Panic Prevention" - wie zum Beispiel "Salvador" und dem herzergreifenden "So Lonely Was The Ballad" - als auch älterem Material gespickt war, trug einen großen Teil dazu bei. Sehr unterhaltsam auch die Szene, als Jamie eine Dame und einen Herren, beide älteren Semesters, aus dem Backstage-Bereich auf die Bühne bat, um mit ihm zu tanzen.
Des Kavkas Lieblinge Tocotronic, die gegen 17:15 Uhr die Bühne betraten, spielten eine bunte Auswahl von Songs, bei der für jeden Fan etwas dabei war, auch wenn es aufgrund der langen Bandgeschichte natürlich nicht möglich war, jeden einzelnen wunschlos glücklich zu machen. Sie begannen mit "Mein Ruin", dem Opener des im Juli erscheinenden Albums "Kapitulation". Auffällig war, dass bei kaum einem Song so textsicher mitgesungen wurde wie beim Titelsong des noch nicht veröffentlichten Albums - spätestens in diesem Moment war klar, dass Tocotronic einen neuen Hit für das nächste Best Of haben. Weitere Highlights waren das kurze "Sag alles ab", der Klassiker "Hi Freaks" und natürlich "Jackpot". Dirk von Lowtzows plakative Ansagen konnte man wahlweise geil oder scheiße finden.
Als drittes kam auch schon der zweite Act von der Insel: Maximo Park. Dass Paul Smith so langsam an die Bühnenpräsenz eines Nick Cave heranreicht, erfuhr nun endlich ein breiteres Publikum. Der offensichtliche Opener "Girls Who Play Guitars" brachte die Menge schnell zu wildem Herumhüpfen, kollektivem Umfallen und zielbewusstem Weiter-nach-vorne-Drängeln. Es wurde voller und wärmer, und man merkte, wie gut sich die neuen Songs in das Live-Repertoire der Briten einfügten. Konsequenterweise setzten sich die Höhepunkte aus Songs von beiden Alben zusammen, ob sie nun wahnsinnig tanzbar wie "Apply Some Pressure" und "Our Velocity" oder romantisch wie "Kiss You Better" und "A Fortnight's Time" daherkamen. Leider ersparte sich Paul Smith, seinen obligatorischen Hut in die teils triefend nasse Menge zu werfen, was sich der ein oder andere doch heimlich erhofft hatte.
Das Bühnenbild von den Nachbarn aus Gießen, die eigentlich einen halben Monat zu früh kamen, erfüllte hingegen einige Hoffnungen – es war wie erwartet pompös. Beeindruckend auch, dass Juli es tatsächlich schafften, nach gerade mal zwei Alben eine Setlist aufzustellen, die (fast?) nur aus Singles bestand - dementsprechend eingängig, und dennoch angenehm unaufdringlich war der Auftritt. Überraschenderweise holte die Band gegen Ende des Konzerts Chris Carrabba von Dashboard Confessional auf die Bühne, mit dem sie die gemeinsame neue Single "Stolen" darbot. Wer im Gitarrenriff Albert Hammond Jr.'s "Back To The 101" raushörte, war nicht der einzige. Erwähnt sei noch, dass die Vorfreude der Massen auf Juli "Ich sehe schon: durchwachsen" (Zitat Mademoiselle Weichselbraun) war, die Stimmung während des Auftritts im Endeffekt aber doch in Ordnung.
Dann wurde es ernst – die Backstreet Boys kamen auf die Bühne. Aber Moment: Mit ungewohnt gitarrenlastigem Sound! Spaß beiseite, es waren N*Sync, nein, Spaß beiseite, es waren Mando Diao. Die fünf Schweden machten eigentlich genau das, was man erwartet hatte. Viele Mädchen in gepunkteten Shirts freute das, die restlichen 10% eher nicht. Und doch gab es Momente wie "Sheepdog", in denen man sich an die Mando Diao erinnerte, die man vor drei Jahren live gesehen hatte - zwei Jahre vorm Ausverkauf, zu dem MTV selbst mit Sicherheit beigetragen hat. Das ist wohl einfach das Schicksal des Senders. Und Mando Diaos Erfolg ist definitiv nachvollziehbar.
Die Intention, den Studenten der Stadt einen schönen Tag zu bieten, ist jedenfalls aufgegangen - was bei dem mit Abstand besten Line-Up der diesjährigen Campus-Invasion-Reihe auch nicht weiter verwunderlich war.
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