Festival-Nachbericht

Maifeld Derby 2017


Man spricht ja immer schnell von einem "Liebhaber-Festival", doch nur ganz wenige Festivals werden dem Status auch wirklich gerecht. Das Maifeld Derby gehört garantiert dazu. Allerspätestens nach dieser Ausgabe, die nicht nur musikalisch dermaßen viele Highlights parat hatte, dass der Post-Festival-Blues auch eine Woche nach dem Ende immer noch unerbittlich anhält.

Betritt man das Festivalgelände, wird sofort eines klar: Hier ist noch das Meiste "hausgemacht". Kleine lokale Privatbrauereien schenken Bier aus, es gibt Weine aus der Region, überall stehen handgeschriebene Plakate, der Parcours d'amour ist aufwändig mit Lampions geschmückt... Über zweihundert (!) freiwillige HelferInnen sorgen dafür, dass man sich sofort wohl fühlt und an ein weiteres Festival von der Stange erst gar keinen Gedanken verschwendet. Ja, sogar die Toiletten sind zu jeder Zeit ungewöhnlich sauber. Das muss der Festival-Himmel hier sein. Auch, weil nur wenige Kilometer entfernt mit dem Onkelz Festival die Hölle stattfindet.

Das Publikum weiß das alles zu schätzen und dementsprechend sucht man auch in ihren Reihen vergeblich nach Tierkostümen, Bierhelmen oder Festivaltouristen. Die Leute sind wegen der Musik hier. Und die steht am ersten Tag ganz im Zeichen Österreichs. Direkt als eine der ersten Bands sieht man mit Flut schon mal den nächsten Austro-Hype-Train, der spätestens mit dem Debüt-Album volle Fahrt aufnehmen dürfte. 80s, Falco, NDW, Glamrock. Hört sich abenteuerlich an, funktioniert aber prächtig. Auch Voodoo Jürgens weiß live zu überzeugen. Mit seinem charmant abgeranztem Wiener Schmäh hat er im Nu das Festivalpublikum auf seiner Seite und es ist nur eine Frage der Zeit, bis es vielstimmig "Heite grob ma Tote aus" über den Platz schallt. Nach dem Ex-Wiener SOHN (perfekter Sound) dürfen dann auch noch Bilderbuch (s. Foto oben) ran, deren Show mittlerweile neue Sphären erreicht hat. Mit zwei Background-Sängerinnen und Visuals fahren die Jungs inzwischen dick auf. Wer aber über dermaßen fortgeschrittene Entertainment-Qualitäten verfügt, darf sich den großen Pomp auch erlauben.

Achso, nicht-österreichische Bands gab's natürlich ebenfalls zum Auftakt. Balthazar-Frontmann J. Bernardt überzeugt mit James-Blake-Sound, die Wild Beasts und Why? spulen ihr Programm vielleicht einen Tacken zu routiniert ab und Cigarettes After Sex spielen ein wunderschönes Set im großen Palastzelt, wo schließlich Trentemller am Ende noch mal ein Ausrufezeichen an den ersten Tag setzt.


Festivalbesucher // Foto-Credit: Benjamin Schneider

Perfektes Festival-Wetter (sprich: warm, aber bewölkt) hält auch der Samstag weiterhin bereit. Ziemlich früh, dafür aber immerhin bei Dunkelheit im Zelt legen Klez.e los. Neben Songs aus ihrem aktuellen Album "Desintegration" spielt die Band aus Berlin zum Schluss auch noch eine Noise-Version von "Madonna". Weniger Lärm ist dann im Parcours d'amour mit Songwriter Dan Owen und dem Folk-Duo Tall Heights angesagt. Beide passen gut in die Frühabendstimmung, ohne allerdings wirkliche Highlights darzustellen. Die folgen im Anschluss, aber so richtig. Erst sorgen American Football für Tränen in den Augen bei der zahlreich anwesenden Emo-Generation, dann werden diese von The Tidal Sleep mit einem unglaublichen Brett von Show direkt wieder brutal aus dem Gesicht gewischt. Ein wenig Kopfnicken bei der beeindruckenden Kate Tempest und schon geht es zum emotionalen Höhepunkt des Tages. Sometree spielen beim Maifeld eines von nur drei Konzerten während einer Mini-Reunion. Was soll man sagen? Die Band hat nichts verlernt, spielt nun mit zwei Drummern und es wäre jammerschade, wenn das kurze Lebenszeichen wieder schnell erlöschen würde. Moderat sorgen zum Abschluss dann noch im großen Zelt für ekstatisches Massentanzen und sauna-ähnliches Klima, so muss das sein!


Thurston Moore // Foto-Credit: Benjamin Schneider

Waren die ersten beiden Festivaltage schon großartig, putzt sich der Sonntag dann aber so richtig raus. Sonne satt und die blanken Arschbacken von King Khan begrüßen die Festivalbesucher schon zu früher Mittagszeit. Keine Frage, es wird heiß. Daran ändern auch der etwas seichte Auftritt von Mitski und die eiskalte Performance von Holygram (Post-Punk aus Köln, unbedingt merken!) nichts. Also nichts wie ab in die erbarmungslose Sonne und sich von Altmeister Thurston Moore noch mal zeigen lassen, wer eigentlich dieses Gitarrespielen wirklich drauf hat. So ganz hat man ihm ja immer noch nicht verziehen, dass er Kim Gordon sitzengelassen hat, aber es fällt zunehmend leichter, wenn man ihn live performen sieht. Die gefühlt vier Generationen jüngeren King Gizzard & The Lizard Wizard aus Down Under rocken sich im Anschluss die Seele aus dem Leib und sorgen für turbulente Szenen vor der Fackelbühne. Pogen bei über 30°C? Kein Problem, schließlich kommt jetzt auch der Gartenschlauch zu seinem ersten Einsatz. Bei Wand kann man sich dann im kleinen Zelt ein wenig ausruhen, bis nach den soliden Primal Scream schließlich der größte Name des diesjährigen Maifelds wartet. Veranstalter und Tausendsassa Timo Kumpf hat es irgendwie geschafft, Slowdive nach Mannheim zu lotsen. So ganz glauben mag man das nicht, bis die Band tatsächlich auf die Bühne kommt und unter euphorischem Beifall ihre Soundwand hochfährt. Was dann folgt, sind 90 Minuten Gänsehaut und purer Genuss. Einfach nur überwältigend. Dass das Festival dann pünktlich um 22 Uhr beendet ist, spielt auch keine Rolle mehr. Denn was hätte danach bitte noch groß kommen können? Der Höhepunkt war erreicht. Bis zum Maifeld 2018 haben wir uns vielleicht wieder beruhigt.

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Benjamin Köhler

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