Festival-Nachbericht

Maifeld Derby 2015


Wir haben da was falsch angekündigt im Vorbericht zum Maifeld Derby. Wie konnten wir nur denken, dass es dort keine Pferderennen geben wird! Sogar in einem eigens dafür vorgesehenen Festivalbereich, auf dem erwachsene Menschen auf den schönsten Steckenpferden die kreativsten Pferderennen und Pferdetänze aller Zeiten boten! Neben diesem Anblick gab es noch viele andere überraschende und überwältigende Dinge beim fünften Maifeld-Derby-Festival zu erleben. Lest selbst, in unserem Nachbericht!

Besondere Momente gab es einige auf dem diesjährigen Maifeld Derby. Für so manch einen hat das Palastzelt selbst gesorgt, das seinem Namen alle Ehre machte. Ein riesiges Zirkuszelt, an dessen Decke eine ebenfalls riesige Discokugel funkelte. Beim Betreten des Palastzeltes durch einen der schmalen Seiteneingänge blieb einem beim ersten Anblick erstmal der Mund offen stehen, wenn man die Weite des Raums erblickte. Einen ganz besonders erhabenen Moment gab es dank des oben beschriebenen Szenarios beim José-Gonzalez-Konzert, als beim Refrain von "Heartbeats" die Discokugel mit weißem Licht bestrahlt wurde, so dass im ganzen Zelt tausende von Sternen erschienen und für absolute Gänsehautstimmung sorgten.

Das Palastzelt beherbergte die größte Bühne des Festivals, wo unter anderen die zauberhafte Aurora, die von kreischenden Teenie-Mädchen begehrten Sizarr, die schön düsteren The Soft Moon, die zum Tanzen einladenden Say Yes Dog oder auch die fulminanten Mogwai ihr Bestes gaben. Wer lieber Konzerte im kleineren Rahmen sehen wollte, hat sich ins Brückenaward-Zelt begeben, wo die meisten Neuentdeckungen des Festivals abzufeiern waren. Ohnehin wurde dort gewaltig gefeiert, wie zum Beispiel mit The Garden als letzter Act am Samstag. Die Zwillingsbrüder boten eine solch heftige Performance, dass es unmöglich war, sie unverwackelt zu fotografieren. Sprünge übers Schlagzeug, Saltos vom Zeltgerüst und allerlei andere Akrobatik zeigten die beiden am laufenden Band, während sie trashige Postpunk-Songs spielten, die wiederum das Publikum zum Ausrasten brachten.

Auch Bands und Künstler wie die Oracles, Drangsal, Iceage, Klaus Johann Grobe, O und die überaus gefeierten Brns brachten das Brückenaward-Zelt zum Tanzen und ließen die Besucher heftig den staubigen Boden aufwirbeln. Love-A-Sänger Jörkk Mechenbier feierte auf der Bühne selbst so heftig, dass er sich schon in den ersten Minuten des Konzerts mit dem Mikrofon einen Schneidezahn wackelig schlug. Nach dem ersten Schock spülte er den Mund mit Wasser, spuckte das Blut dann aus und rief: "Scheißegal, wir machen weiter!". Im Publikum anwesende Zahnärzte wären ohnehin höchstwahrscheinlich nicht in der Lage gewesen, ihn auf die Schnelle ambulant zu behandeln, also kann man nur hoffen, dass der Zahn das Konzert überlebt hat. Das Publikum hat der Aufopferung auf jeden Fall ordentlich gedankt.

Auf dem bestuhlten Parcours d'Amour ging es da im Vergleich eher ruhig zu. Hier verzauberten Künstler wie Manu Delago, Soak, Wendy McNeill, Husky oder auch Charlie Cunningham das Publikum. Letzterer bekam sogar Standing Ovations für seine sympathische, träumerische Live-Show, bei der er alleine mit seiner akustischen Gitarre auf der Bühne saß. Der Parcours d'Amour ist eine ganz besondere Bühne beim Maifeld Derby. Auf einem Reitparcours ist sie aufgebaut, die Zuschauer sitzen auf den bunten Plastikschalensitzen der Ränge und lauschen der Musik. Liebevoll sind die Wände und Fronten mit Turteltauben und bunten Papptellern beklebt, die aussehen wie riesiges Konfetti. Insgesamt haben sich die Veranstalter viel Mühe gegeben, das Festivalgelände einladend zu gestalten. Um die Bäume wurden bunte Bänder gebunden, überall ist schöne Papierfaltdeko zu finden, nicht zuletzt das aus dem Festival-Plakat gefaltete Maifeld-Derby-Pferd.

Die Fackelbühne, die als einzige Open-Air-Bühne aufgebaut war, war die wohl unspektakulärste des Festivals, sowohl von der hier nicht vorhandenen Besonderheit her als auch von den auftretenden Bands. Zwar waren Bands wie The Rural Alberta Advantage, Thee Oh Sees und Brand New schön anzusehen und es war toll, ein wenig mehr "normale" Festivalstimmung mit lauter Musik unter freiem Himmel zu haben, gleichzeitig war es aber auch nur "normal" und eben nicht, wie auf den anderen Bühnen, etwas Besonderes. Zudem traten dort die zwei größten Enttäuschungen des Festivals auf. Foxygen, mit schiefem Gesang und unmelodischen Songs, und die groß gehypten Wanda. Frontmann Marco Michael Wanda erinnerte an einen Paradetypen von "Manta, Manta", der schmierig ist, aber mit seinem offenen Hemd und den schweißverklebten paar Brusthaaren dann doch irgendwie die Mädels abschleppt. Die Live-Show war mehr oder weniger langweilig, immer wieder wurde der große Hit angekündigt und als "Bologna" dann endlich gespielt wurde, ging die Band eine Viertelstunde vor Konzertende von der Bühne, um sich zur geplanten Zugabe selbst abzufeiern. Wäre man doch besser etwas länger bei den wunderbaren Children im Parcour d'Amour geblieben, die wesentlich mehr wahre "Amore" für ihre Fans hatten.

Das Maifeld Derby ist ein großzügiges Festival. Großzügig vom Platzangebot, vom Toilettenangebot, vom Preis, von der Toleranz (man darf zum Beispiel 1,5 l Tetrapaks mit aufs Gelände nehmen). Es ist ein freundliches Festival, und zwar vom Publikum, über den Veranstalter, bis hin zu vielen der Künstler, die sich zigfach bedankten und überglücklich waren, dort spielen zu dürfen. Es ist ein besonderes Festival, schon allein wegen der Location und auch, weil man früh schlafen gehen kann, oder auch muss (spätestens um 3 Uhr war Schicht im Schacht). So war man dann zumindest ausgeschlafen, um das großartige Line-up auskosten zu können.

Fotos vom Festival findet ihr auf unserer Facebook-Seite.


Highlights:

Drangsal: Die Jungs sind Freunde von Sizarr und ebenfalls aus der Pfalz. Laut eigener Angabe machen sie Popmusik, aber härter. Sie sind Liebhaber von The Smiths, Joy Division oder auch den Misfits und machen großartig unterkühlten und unbändigen Synthpop. Obwohl sie gerade mal Anfang zwanzig sind, sehen sie aus, als ob sie original aus den 80ern zu uns gekommen wären.

Aurora: Aurora Aksnes kommt aus Norwegen und ist gerade mal 17 Jahre jung. Auf der Bühne zeigte sie wahre Ausdruckstänze mit ihren Händen und zum Schluss auch mit Freudensprüngen über die Bühne. "You are so many! You are so very many!" rief sie aufgeregt ins Mikro und lächelte dabei zuckersüß. Live und auf Platte sehr zu empfehlen!

Human Abfall: Im Stuttgarter Dunstkreis um Bands wie Wolf Mountains, Die Nerven, Karies – und wie sie nicht alle heißen – bewegen sich auch Human Abfall. Die Band bietet perfekte Soundkulissen, zu denen Sänger Flavio Bacon in unglaublich abgeklärter Manier stoisch seine Texte ins Mikro presst. Eine erstklassige Inszenierung, die nicht alle verstehen wollen. Ein Besucher fragte darum auch, als ich die Band fotografieren wollte: "Die willst du fotografieren? Die sind doch überhaupt nicht gut!". Wer sich darauf einlässt und auf Punk und Performance steht, wird sie super finden.

Children: Die überaus sympathischen Children sind mittlerweile in Berlin ansässig. Sie machen elektronischen, tanzbaren Indie-Pop, gerne auch mal mit Querflöteneinspielern. Beim Maifeld Derby haben sie den Parcours d'Amour bespielt und beim Sitzkonzert für einige unruhige Füße gesorgt, die lieber getanzt als stillgestanden hätten.

Adi Ulmansky: Adi kommt aus Israel und macht super tanzbaren Elektro-Pop mit R'n'B-Einschlag, mit dem sie den noch nicht müden Gästen der Aftershow-Party des Maifeld Derbys eingeheizt hat. Obwohl sie eine überzeugende Bühnenpräsenz bot, war sie doch schön entzückt darüber, dass die Besucher sie und ihre Songs so abgefeiert haben.

Marlena Julia Dorniak

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