Festival-Nachbericht

Iceland Airwaves Festival


Eine Reise nach Island ist unheimlich beeindruckend. Wenn man dann noch ein fünftägiges Clubfestival dran hängt, bei dem beinahe rund um die Uhr Livemusik geboten wird, dann ist das noch beeindruckender. Oder geradezu überfordernd. Die Veranstalter hatten auf ihrer Homepage gewarnt: Man solle schon mal vorschlafen, wenn man zum Festival käme, es würde wüst hergehen! Sie sollten Recht behalten. Nacht für Nacht und Tag für Tag war Islands kleine Hauptstadt Reykjavik überfüllt von jungen, hippen Festivalbesuchern und jede Menge Musikern. Mehr als 230 offiziell abends und nachts spielende Bands und unzählige mehr, die auf Off-Venue-Shows tagsüber auftraten, gab es zu sehen. Theoretisch. Praktisch war es natürlich unmöglich, überhaupt annähernd die Hälfte der Konzerte zu sehen. So konnte das Iceland Airwaves Festival für jemanden, der am liebsten keinen Act verpasst, ganz schön stressig werden.

Was das Iceland Airwaves Festival von anderen, „normalen“ Festivals unterscheidet, sind vor allem die vielen Off-Venue-Shows, die den ganzen Tag über an unzähligen, über die Stadt verteilten Orten angeboten werden. Für den Einlass zu diesen Shows brauchte man kein Bändchen vorzuzeigen. So hatten auch diejenigen, die kein Festivalticket mehr bekommen hatten, die Möglichkeit, sich kostenlos großartige Konzerte anzuschauen. Bei der Auswahl der Locations hatten die Veranstalter überaus Kreativität bewiesen: Ob im Schwimmbad, beim Frisör, im Kino, in der Buchhandlung, auf einer Halfpipe, im Museum, in der Jugendherberge, im Plattenladen, bei der Post, oder im normalen Café, überall konnten Konzerte stattfinden. Man konnte also durch die Straßen laufen, seinem Gehör folgen, und einfach dort einkehren, wo einem die Musik gefiel – wenn denn noch Platz war. Beim Off-Venue-Konzert von Bombay Bicycle Club im Reykjavik Downtown Hostel zum Beispiel hatten etwa 50 Menschen das Vergnügen, mit der Band im gleichen Raum zu sein. Ungefähr 200 andere standen dagegen draußen auf der Straße und versuchten, durch das große Fenster einen Blick zu erhaschen. Aber wer die Band an diesem Ort verpasst hat, hatte immer noch die Möglichkeit, sie einen Abend später in der großen Konzerthalle zu sehen.

Eben das ist eine weitere Besonderheit des Festivals: Manche Bands treten nicht nur einmal auf, sondern geben bis zu fünf Konzerte an verschiedenen Tagen und in unterschiedlichen Locations. Moddi alias Pål Moddi Knutsen aus Norwegen zum Beispiel. Mit seinem Akkordeon, seiner Gitarre und seiner kleinen Band macht er rührselige, liebenswürdige Musik, zu der er auch gerne kleine Geschichten erzählt. Seinem Versprechen, bei jedem seiner Auftritte andere Songs zu spielen, ist er sicherlich nachgekommen. Auch Útidúr (sprich: „ooh! – detour“), eine junge Band aus Island, gab es einige Male zu bestaunen. Mit bis zu zwölf Musikern (mit einer Reihe unterschiedlichster Instrumente) spielten sie ihre Lieder mit jeder Menge Herzblut dem Publikum vor.
Der in Reykjavik lebende Sindri Már Sigfússon, Mastermind verschiedener Musikprojekte, war ebenfalls häufiger anzutreffen: beim Schlendern durch die Stadt oder am Abend bei den Auftritten seiner momentanen Bands Sin Fang Bous und Seabear.

Eine Auswahl der besten Konzerte zu treffen, fällt bei der gebotenen Vielfalt definitiv schwer. Einige sollten aber nicht ungenannt bleiben: Hercules & Love Affair zum Beispiel, die das Publikum unheimlich mitrissen, und die selbst auf der Bühne eine großartige Tanzshow ablieferten. Oder auch Apparat Organ Quartet, deren wilde Orgelshow einige Leute als das „beste Konzert ihres Lebens“ bezeichneten. Auch einige heiße Newcomer sollten für das kommende Jahr im Gedächtnis behalten werden: Reptile & Retard mit ihrer nach vorne preschenden elektronischen Maskeraden-Show, Diamond Rings, alias John O, der bei technischen Problemen auch gerne mal trashige 80er-Songs laufen lässt und trotz Solokonzert Tanzchoreographien in bester Boygroup-Manier einstreut, Yuni in Taxco, die sich selbst als die Neo-Indie-Version der Beach Boys bezeichnen, das schwedische Elektro-Dub-Duo JJ oder auch die charmanten Indie-Rocker von Sudden Weather Change aus Island.

Wer mehr über die isländische Musikszene erfahren möchte, dem sei wärmstens der Dokumentarfilm „Backyard“ empfohlen. Der wurde von Árni Rúnar Hlöðversson, Bandmitglied bei FM Belfast, initiiert. Der veranstaltete eines Tages ein Konzert mit allen befreundeten Bands in seinem „Backyard“. Bei den Konzertplanungen entstand die Idee, das Ganze zu filmen, und so haben auch wir nun etwas davon. Im Film zu sehen sind unter anderem Hjaltalín, MÚM, FM Belfast, Retro Stefson, Borko, Reykjavík! und Sin Fang.
Wer ein wenig Zeit übrig hat und neue Musik entdecken möchte, der sollte mal einen Blick auf die Festivalhomepage www.icelandairwaves.is werfen. Dort findet man unter „Artists“ Beschreibungen und Links zu den jeweiligen Hörproben für jeden der aufgetretenen Künstler. Und wer für den Oktober im kommenden Jahr noch keine Pläne hat, der sollte sich überlegen, ob er nicht mal Lust auf ein einmaliges Festivalerlebnis in Island hätte. Eins ist gewiss: Es lohnt sich!

Aufgetretene Künstler: 200, Alcoholic Faith Mission, Alex Metric plus special guest Charlie XCX, Angel Deradoorian, Autodrone, Basia Bulat, Bastardgeist, Bombay Bicycle Club, Chateau Marmont, Codes In The Clouds, Crocodiles, Dan Deacon, Dominique Young Unique, Diamond Rings, Efterklang, Everything Everything, Factory Floor, Film, Gablé, Harrys Gym, Hercules And Love affair, Hundreds, Hurts, Jaakko & Jay, James Blake, JJ, Joy Formidable, Junip, Kasper Bjørke, Kenton Slash Demon, Lay Low, Le Corps Mince De Francoise, Marius, Moddi, Moderat, Mount Kimbie, Murder, My Bubba & Mi, Neon Indian, Nils Frham, Nive Nilsen, Nive Nielsen & The Deer Children, Nolo, Oh No Ono, Pagan Wanderer Lu, Penny Police, Polipe, Ramadanman, Reptile & Retard, Rival Consoles, Robyn, Rolo Tomassi, Selvhenter, Shum, Simon Says No, Silver Columns, Slagsmalsklubben, Snailhouse, Spleen United, Swords Of Chaos, Teeth, The Amplifetes, The Antlers, The Vandelles, Think About Life, Timber Timbre, Toro Y Moi, Tunng, Valby Vokkal Gruppe, VUK, Walls, We Aeronauts, Wild Geese, Yuni In Taxco, Yunioshi, Zach & Foes, Hydrophobic Starfish, Tonic, DJ BenSol, DJ CasaNova, Fræbblarnir, Heima, Prinspólò, Klassart, Lockerbie, Epic Rain, FM Belfast, 200, Naglbítar, 59's, Andvari, Arnljótur, Bárujárn, Biogen, Blaz Roca, Bróðir Svartúlfs, Buxnaskjónar, Cynic Guru, DJ Margeir, Evil Madness, Fist Fokkers, Foreign Monkeys, Fu Kaisha, Go Go Darkness, Gone Postal, GP!, Hellvar, Hoffman, Human Woman, Hunk Of A Man, Inferno 5, Jan Mayen, Kiasmos, Kippi Kaninus, Klassart, Króna, Lazyblood, Legend, Ljósvaki, Locerbie, Markus & The Diversion Sessions, Morning after Youth, Morðingjarnir, Múgsefjun, My Summer as a Savation Soldier, Náttfari, Nögl, Pétur Ben, pétur og úlfurinn, PLX, Poetrix, Quadruplos, Rafgashaus, Raychem, Reptilicus, Rúnar Magnússon, Rúnar Þórisson, Ruxpin, Sexy Lazer, Sing for Me Sandra, Sjálfsprottin Spévísi, Soffía Björg, Sólstafir, Stereo Hypnosis, Steve Sampling, Ten Steps Away, The Esoteric Gender, The Vintage Caravan, Thizone, Varsjárbandalagið, Vicky, Vindva Mei, Yoda Remote, We Made God, Worm Is Green, Ylga, Æla, Agent Fresco, Amiina, Angist, Apparat Organ Quartet, Bang Gang, Benni Hemm Hemm, Benny Crespo's Gang, Bendsen, Biggibix, Bloodgroup, Captain Fufanu, Caterpillarmen, Cliff Clavin, Deep Jimi and the Zep Creams, Diddi Fel, Dikta, DLX ATX, Emmsjé Gauti, Endless Dark, Ensimi, Feldberg, Fönksveinar, For A Minor Reflection, Futuregrapher, Hafdís Huld, Haffi Haff, Ham, Hjálmar, Hjaltalín, Hrun, Hypno, Jónas Sigurðsson & Ritvélar Framtíðarinnar, Jungle Fiction, Just Another Snake Cult, Kalli, Kimono, Klink, Lára Rúnars, Lay Low, Lights on the Highway, Mammút, Me the slumbering Napoleon, Mínus, Miri, Momentum, Moses Hightower, Mugison, Muted, Noise, Nolo, Nóra, Oculus, Of Monsters & Men, Ólafur Arnalds, Ojba Rasta, Ólöf Arnalds, Original Melody, Orphic Oxtra, Ourlives, Pascal Pinon, Rabbi Bananas, Reason To Believe, Retro Stefson, Rökkurró, Samúel Jón Samúelsson Big Band, Saktmóðigur, Save Public, S.H. Draumur, Seabear, Selvhenter, Sin Fang, Sindri Eldon, Snorri Helgason, Sometime, Stafrænn Hákon, Subminimal, Sudden Weather Change, Svavar Knútur, Sykur, Toggi, Ultra Mega Technobandio Stefán, Uni, Útidúr, Who Knew, Wistaria, XIII


Bildergalerie: (alle Photos von Marlena Julia Dorniak)


Lazyblood, Bloodgroup, Factory Floor


Codes In The Clouds, Diamond Rings im Recordshop, Efterklang mit Streicherunterstützung


Moddi in der Buchhandlung, Rökkurró, Seabear


Moderat, Reykjavik!-Sänger beim Stagediven, Mugison


Seabear mit sämtlichen befreundeten Bands, Silver Columns, Slagsmålsklubben


Sin Fang Bous, Sudden Weather Change, Sudden Weather Change Socken über die Hose


Swords Of Chaos, The Assassin Of A Beautiful Brunette, Tunng


The Vandelles, Toro Y Moi, Wollkunst isländischer Musiker


Útidúr in der Buchhandlung, Útidúr in der Halfpipe, Yuni in Taxco

Marlena Julia Dorniak

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Am 5. Januar 2021 haben wir éclat eingestellt. Mehr Infos hierzu gibt es auf unserer Startseite!