Festival-Nachbericht

Highfield Festival


Steht eine Premiere an, macht sich gleich eine ganze Palette an Gefühlen breit. Darunter Spannung, Vorfreude oder Neugier. Aber auch: das Lampenfieber. Eigentlich doch etwas Schönes, drückt es doch aus, wie wertvoll das Spektakel seinem Urheber tatsächlich ist. Nach zwölf Jahren Festivalhistorie im namensgebenden Hohenfelden ging es in Großpösna, dem neuen Standort des Highfield, allen Beteiligten wohl kaum anders. Ein neues Gelände für das berüchtigte „Festival am See“ war gefunden, alles vorbereitet, es konnte praktisch losgehen. Und dann das: tagelange Regentaufen fluteten das Festivalgelände zu einem Riesentümpel. Alle Gefühle schlagartig dahin, ersetzt durch Stress.

Kaum auszumalen, wie sehr am Donnerstag geschuftet worden sein muss, um das Gelände für die 22.000 Besucher trittfest zu machen. Fast wäre es abgesagt worden, so das Gerücht. Mein Gott, Walter. Eine Schlammschlacht zur Premiere? Weit davon entfernt. Schon der flüchtige Blick aufs Campinggelände am Freitag entwarnt: Sieht doch super aus. Daher dickes Lob an die Veranstalter und alle Helfenden, die den Festivalboden auf Vordermann brachten. Als sei diese Prüfung überstanden, gab es für den Rest des Wochenendes die saftige Belohnung: Sonne ohne Ende.

Und die wusste so manche Band für sich zu nutzen. Frank Turner, dieser Chefsympath, der nicht nur das Festival am Freitag eröffnete, sondern die Messlatte mit seinen verflucht cleveren Texten gleich turmhoch hängte. Eine Hürde, die Gogol Bordello aber packen. Bei ihrem Mulikulti-Sound ist kein Tanzstil zu bescheuert und natürlich kein Tropfen Bier mehr im Becher. Erstes Highlight dann The Gaslight Anthem – mit überraschend prominentem Slot. Und man bemerkt ihn, den Mehrwert an Erfahrung, gesammelt auf der letzten Tour. “American Slang” macht spätestens live klar, warum die Band ihr Drittwerk persönlich für ihr wahrhaftiges Gitarrenalbum hält. Ganz anders: die Deutsch-Punks von Wizo. Die brettern einfach los, Hits wie “Kopfschuss” oder “Das goldene Stück Scheiße” sorgen für kollektive Ausraster. Punk-Herz, was willst du mehr? Billy Talent vielleicht? Okay, Scherz. Aber die Kanadier sind inzwischen gewachsen und beweisen, dass sie ein großes Festival wie das Highfield durchaus headlinen können. Und, Menschenskinder: wie viele Hits haben die eigentlich?

Der Samstag bringt mit Skindred und Black Rebel Motorcycle Club zwei Absagen aus familiären Gründen. Sei's drum, nach vorn schauen. Die Sonne macht's leichter, obwohl der Samstag eigentlich komplett im Zelt verbracht gehört: State Radio, Comeback Kid, Parkway Drive, Thrice, Biffy Clyro, Karamelo Santo – alle nacheinander. Wenn auch Comeback Kid einfach nur brachial sind und perverse Lautstärke aus den Boxen wummert, gibt es hier am Laufband abwechslungsreiche Bands zu bestaunen, denen auf der Hauptbühne die überzogen gruftigen The 69 Eyes, die nervigen Revolverheld und die deplatzierten Unheilig gegenüber stehen. Also klare Sache. Doch für Großmeister Danko Jones lohnt sich natürlich der Weg ans Tageslicht – wer sonst erzählt seinem Pulbikum was von Oralsex. Jaja, so isser. Den Headliner Placebo reisst dann besonders Neu-Drummer Steven Forrest raus. Da entsteht plötzlich eine ganz neue Dynamik um die edle Bühnenbekleidung und intensive Lichtshow. Immer wieder groß.

Sonntag dann Wölkchen am Himmel. Und genau passend dazu: Minus The Bear. Wenige sind da, der Band ist das Wurscht: Dieser verspielte Indie-Math-Rock kühlt besticht mit ganz besonders akribischem Sound und gerät trotz des kurzen Sets zu einem der besten Gigs des Festivals. Viel später im Zelt tun dann die Ulknudeln von OK Go so manches Skurilles: Songs ausschließlich auf Glockenspielen, Songs mitten in der Menge, Songs, die die Zuschauer selbst spielen dürfen. Das zieht. Einen drauf setzen da noch die Mad Caddies: Ska, Reggae und Pop in trauter Dreisamkeit ziehen die Massen wie das Licht die Motten. Zum Runterkommen taugt da natürlich die großartige und warmherzige Band Of Horses, wer hingegen weiter machen will, lässt sich bei NoFX von Fat Mike beleidigen oder hört sich Geschichten über dessen Ecstasy-Konsum an. Nach den Alt-Punks donnert's auf einmal mächtig, der Wind spielt mit Pavillions Boccia auf dem Zeltplatz. Der kleine, fiese Streich zum Schluss, was, Petrus? Aber das kannst du schön knicken: ein paar Extra-Heringe und etwas Gehämmer später sind schon wieder alle zum Absch(l)uss bei Blink-182. Die sind nur auf dem Papier älter: Mark und Tom beleidigen da schon mal abwechselnd ihre Mütter, auch gern mal in spontaner Rap-Einlage. Und ihre Songs erst: Evergreens wie an der Perlenkette, simpel, aber gut. Denn die wissen, was sie da tun. Und kündigen zum Schluss sogar das nächste Album an.

Premiere also geglückt. Abgesehen von ein paar Kleinigkeiten (der etwas umständliche Weg zum Gelände und die langen Wege) und dem großen Wetterchaos vor dem Festival lief alles wie am Schnürchen. Und wer – genau wie zuvor auf der Fusion, dem Summerbreeze oder dem With Full Force – auf dem Campingsplatz zum grenzdebilen “Frazy” von Synapsenkitzler abgespackt ist oder gar “die größte Bierdusche der Welt” vom festivaleigenen Radiosender camp.fm mitgenommen hat, weiß, dass auch stimmungstechnisch auf dem Highfield alles schön ausgelassen war. Schön bist du, Großpösna! Hohenfelden? Was ist das?

Gordon Barnard

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