Festival-Nachbericht

Highfield Festival


2007 war für das Highfield Festival ein besonderes Jahr. Nicht nur, dass es zum zehnten Mal veranstaltet wurde und damit gewissermaßen seinen Geburtstag feiern konnte - nein, es ist auch zu einem erwachsenen Festival geworden, und zwar in dem Sinne, dass es erstmals eine zweite Bühne aufbieten konnte. Neben O2, Levi's, Jägermeister und anderen haben eben auch die Coca-Cola-Verantwortlichen erkannt, dass Festivalgänger eine liquide Zielgruppe sind und sponsern deswegen wie auch beim Southside Festival und bei Rock am Ring das "Coca Cola Soundwave Tent".

Leider ist die Bühne etwas ungünstig an der Längsseite des Zeltes aufgebaut, noch dazu befindet sich der Eingang direkt daneben. In Kombination führt das zu einem ständigen Gedränge auf der einen und zu einer überaus entspannten Situation auf der anderen Seite. Nichtsdestotrotz war das eine große Bereicherung für das Highfield Festival, weil es erstens die Möglichkeit für ein Ausweichprogramm bot und zweitens die Stimmung im Zelt selbst bei vermeintlich kleinen Bands immer sehr gut war.

Man braucht sich nur das Sparta-Konzert noch einmal vor Augen führen. Als letzte Band im Zelt hauten sie sich durch ein sehr energiegeladenes Set. Sowieso sollte man festhalten, dass Jim Ward nicht nur ein charismatischer Frontmann, sondern auch ein unglaublich kraftvoller Sänger ist. Da kommt an diesem Wochenende nur noch Jesse Lacey von Brand New heran. Als erste Zugabe spielten Sparta "Cut Your Ribbon" von ihrem Debutalbum "Wiretap Scars" und fegten uns damit fast die Perücken vom Kopf, nur um im nächsten Song "Atlas" in Coldplay-Fahrwasser zu geraten. Wer sich in Highfield relevanten Foren bewegt, kennt die Geschichte. Gegen Ende des Songs geht die Band von der Bühne, nur Jim Ward bleibt zurück und singt mit uns im Chor die abschließende Zeile in Endlosschleife: "More than lights/life expose who you are." Von "Gänsehaut" und "einem bewegenden Moment" sollte später die Rede sein. Wäre das Highfield Festival die Jägermeister Rockliga und helga-rockt.de die Jury hätten Sparta gute Chancen auf den Gesamtsieg.

Selbstverständlich war das nicht der einzige berauschende Auftritt, aber fangen wir vorne an. Das Festival liegt an der Talsperre Hohenfelden, was bedeutet, dass man nicht nur in der zwischen Campingplatz und Festivalgelände gelegenen Therme, sondern auch in der freien Natur baden kann. Da das Wetter an diesem Wochenende, ganz untypisch für den deutschen Sommer, richtig gut war, wurden beide Möglichkeiten ausgiebig genutzt. Positiv aufgefallen ist außerdem, dass die Leute zwar jünger, aber irgendwie auch freundlicher waren als auf vergleichbaren "West-Festivals". 20.000 sollen sich an diesem Wochenende in die Zeltstadt nähe Erfurt verirrt haben.

Freitag, 17.08.2007

Die erste Band, die wir uns zu Gemüte führten, waren die Dresdener Polarkreis 18. "Diesen Gesang kann Polarkreis 18 sich tatsächlich zukünftig schenken", hatte Kollege Oliver Bothe vor einigen Monaten über eines der Konzerte geschrieben. Leider gilt das immer noch, und so wird der an und für sich gute Eindruck der Band doch sehr stark getrübt. Danach kamen zwei Bands zu Wort, deren Debutalben in Kürze in Deutschland erscheinen werden. Zunächst The Twang auf der Hauptbühne, deren Lieder sich neben Hymnenhaftigkeit und einem Schuss Melancholie vor allem durch die an The Streets erinnernden Raps auszeichnen. Wer auf Mitt-90er Indierock steht, sollte sich die Silversun Pickups genauer anhören. Sonic Youth und Smashing Pumpkins sind die gängigsten Referenzen, das Publikum honoriert nicht nur die süchtig machenden Gitarrenriffs in "Lazy Eye" mit nach oben gerissenen Armen und zustimmendem Kopfnicken.

Der Rest des Freitags beförderte neben den langweiligen The Films, deren "Be My Baby"-Cover mit einem riesigen Vorsprung zum schlimmsten Song des Festivals gewählt werden müsste, auch das Problem ...And You Will Know Us By The Trail Of Dead gegen Interpol zutage. Zunächst aber kapitulierten wir vor dem Auftritt der Hamburger Band Tocotronic. Sänger Dirk von Lowtzow gibt sich nach wie vor als ein Kämpfer für eine bessere Welt, er reißt die linke Faust nach oben, widmet ein Lied allen Andersartigen ("Hi Freaks") und geht beim Feedbackgewitter des letzten Songs auf die Knie, dabei unidentifizierbares in den Hohenfelder Nachthimmel schreiend. Tocotronic stellten ihre rockige Seite in den Vordergrund, was zum einen wohl an der Tatsache Festivalauftritt, zum anderen aber auch an "Kapitulation" liegt. "Mein Ruin ist, was mir bleibt, wenn alles andere sich zerstäubt", heißt es im ersten Song. Dabei kreist die rot-weiße Beleuchtung am Bühnendach als bestünde sie aus einer Armee an Suchscheinwerfern. Tatsächlich funktionierten Tocotronic auch auf der großen Highfield-Bühne außergewöhnlich gut.


Photo Credits: Jochen Melchior

Im Anschluss folgten die Shins und man muss die Highfield-Verantwortlichen schon dafür lieben, dass sie eine in Deutschland eher unbekannte Band im zweithöchsten Slot des Tages spielen lassen. Die US-Indie-Welt liegt den Shins spätestens seit dem Beitrag zum Garden State-Soundtrack zu Füßen, der Film von Zach Braff, in dem Natalie Portman "New Slang" als den "Song, der dein Leben verändert" anpreist. Nach einem wunderschönen Set in der sternenklaren Nacht hat sich bestimmt auch für den ein oder anderen Zuschauer das Leben verändert.

Wer Interpol beim Southside Festival gesehen hat, fragte sich zumeist zwei Dinge. Erstens, warum um alles in der Welt spielen die nicht nachts? Und zweitens, wie schaffen Interpol es, einen dermaßen hohen Grad an Perfektion zu erreichen? Beim Highfield Festival spielten sie zum Glück als Headliner, 90 Minuten lang, und das natürlich in vollkommener Dunkelheit, die Perfektion sowohl äußerlich als auch musikalisch blieb indes die gleiche.

Samstag, 18.08.2007

Neben dem langweiligen Auftritt von Fall Out Boy, der sich zu späterer Stunde ereignete, gab es am Samstag noch eine schlechte Nachricht. Die Klaxons hatten aus gesundheitlichen Gründen abgesagt, deswegen muss das Raven zu später Stunde leider entfallen. Einigermaßen neben der Spur befand sich übrigens auch Chris Cornell, der irgendwann am Sonntag Nachmittag mit einem "Redemption Song"-Cover die Hauptbühne unsicher machte. Und nebenbei, Herr Cornell, sie dürfen ruhig auch einige ihrer neuen Lieder live spielen, dafür wurden sie schließlich geschrieben.

Die großen Ausrufezeichen setzten an diesem Tag vor allem zwei Bands. Zunächst Blackmail, die am späten Nachmittag auf der Hauptbühne begeisterten und zeigten, dass sowohl Riffing als auch Sound hervorragend auf eine so große Bühne passen. Und später dann Dinosaur Jr im Zelt, die wie immer eine der lautesten und vor allem auch druckvollsten Bands waren. Fall Out Boy gegen Dinosaur Jr hieß es da, wie Basser Lou Barlow so treffend bemerkte. Während man von den einen eindrucksvoll demonstriert bekam, wie langweilig Emo sein kann, spielten die anderen mit einer Begeisterung als wäre es immer noch 1989.

Headliner waren, wenn man sich nach Dinosaur Jr. noch traute, etwas anderes hören zu wollen, Billy Talent. Die Frage, wann Sänger Benjamin Kowalewicz Werbung für Halsbonbons macht, ist noch ungeklärt, dennoch wäre es manchmal mehr, wenn er zwischen den teilweise doch sehr passablen Songs weniger schreien und mehr reden würde. Oder einfach mal die Klappe hält, denn vorhersehbare Tiraden gegen George W. Bush mögen bei der Crowd zwar ankommen, langweilen aber mehr als die Frage, ob es im Irak nun Massenvernichtungswaffen gab oder nicht.

Sonntag, 19.08.2007

Sonntag hielt dann zumindest zwei Überraschungen parat. Zuerst Brand New auf der Hauptbühne. Sänger Jesse Lacey schreit in Sowing Season mit seinem sehr stimmgewaltigen Organ: "I'm not your friend, i'm not your lover, i'm not your family." Laut/Leise-Spielereien, ausgezeichnetes Riffing und wesentlich komplexere Songstrukturen als noch auf den Vorgängern kennzeichnen die neuen Lieder. So hört sich eine emotionale Rockband an, die nicht auf den schnellen Hit aus ist.

Danach hieß es im Zelt: Bühne frei für Ash. Alte Bekannte beim Highfield, jetzt leider ohne Gitarrenmieze Charlotte Hatherley, eigentlich der Grund für uns Jungs in den Zeiten nach dem Debütalbum die Band immer noch toll zu finden. Wie Unrecht haben wir Tim Wheeler und seinen beiden Jungs damit nur getan? Ash spielten ein rockiges Set mit Hits und neuen Songs und sorgten für einen der besten Auftritt im Coca-Cola-Zelt am Wochenende. Und das ohne Charlotte. Chapeau!

Langsam sank dann auch die Sonne, der Stausee lag im goldenen Licht und auf der Hauptbühne stand mit Jimmy Eat World eine der ganz großen Bands. Lediglich zwei Auftritte in Deutschland standen auf ihrem Tourplan und einer führte sie ins grüne Herz Deutschlands. Alte Songs wie "The Middle" und "Lucky Denver Mint" wurden ausgepackt, aber auch das neue "Big Casino" vom im Herbst erscheinenden Album "Chase This Light" stand auf der Setlist. Jim Adkins und Co hatten sichtlich Spaß im Abendsonnenschein und waren die mit Abstand beste Band des Tages auf der Hauptbühne.

Co-Head auf der großen Bühne waren die Jugendhelden Silverchair. Geschätzte drei Ewigkeiten ist es her, dass mit Neon Ballroom eines der wichtigsten Alben der 90er-Jahre erschienen ist. Nach dem enttäuschenden Nachfolger Diorama, Krankheit von Sänger Daniel Johns und Nebenprojekten (The Dissociatives) kam in diesem Jahr mit "Young Modern" eine neue Platte der Australier auf den Markt und Silverchair nach Jahren wieder nach Deutschlands. Johns, im Look von Will Turner, schaffte es aber nur bedingt das Publikum zu begeistern. Trauriger Höhepunkt war der Abgang von der Bühne, ohne "Anthem For The Year 2000" gespielt zu haben.

Mit den Kaiser Chiefs ging auf der großen Bühne ein sehr charmantes und vielseitiges Festival zu Ende. Der Stimmung tat die Heiserkeit von Sänger Ricky Wilson keinen Abbruch, bereits nach einer halben Stunde hatten sie geschätzte 37 Hits rausgehauen und jeden im Publikum zum Mitgröhlen animiert. Der Schritt zum Stadionrock ist nicht mehr fern.

Liebes Highfield, wir gratulieren zu einem doch recht gelungenen 10. Geburtstag. Feine Gäste hast du dir da eingeladen, so manch gruseliger Gast der letzten Jahre, denken wir da doch an Bands wie Knorkator oder Oomph!, blieb zu Hause und so wurde es ein charmantes Fest. Wären Southside und Hurricane eine Person wie, sagen wir, Eddie Argos, sie würden rufen: My little brother just discoverd Rock'n'Roll, he's only ten years old and he's out of control! Und wir erfreuen uns daran.

Martin Korbach, Matthias Kümpflein

Finden


Bye-Bye



Am 5. Januar 2021 haben wir éclat eingestellt. Mehr Infos hierzu gibt es auf unserer Startseite!