Festival-Nachbericht
Haldern Pop Festival 2012
Die Veranstalter des Haldern Pop konnten in diesem Jahr sogar den sonst kritischen Donnerstag als erfolgreich abhaken, denn statt nur das Spiegelzelt als Veranstaltungsort anzubieten, gab es Konzerte in unterschiedlichen Locations, was Anstehen und Warten etwas in Grenzen hielt. Neben dem Spiegelzelt gab es unter anderem die Möglichkeit, sich wie auch schon im vergangenen Jahr in der schönen Atmosphäre der Halderner St. Georgs Kirche, in der Haldern Pop Bar oder auf der neuen Bühne im Biergarten Konzerte anzusehen. Am Freitag und Samstag wurden außerdem im Tonstudio Keusgen, in dem nur um die 50 Leute Platz fanden, ganz besondere Konzerte gespielt. Die unterschiedlichen Angebote verschafften den Besuchern Abwechslung und sorgten für weniger Gedränge. Wirklich lange musste man da zeitweise nur im Supermarkt anstehen, denn die Rewe-Mitarbeiter schienen mit den vielen Menschen, die kurz vorbei schauten, um sich mit Bier und Eis einzudecken, etwas überfordert zu sein.
Am Donnerstagnachmittag betrat Chris Garneau die Bühne in der vollbesetzten Dorfkirche und setzte sich an einen großen, schwarzen Flügel. Mit schlackernden Beinen und zitternden Fingern begann er, wunderbare Melodien in die Tasten zu hämmern und dazu inbrünstig zu singen. Garneau, der üblicherweise vor etwa 50 Menschen in kleinen Clubs auftritt, war sichtlich überwältigt von den hunderten Konzertbesuchern, die ihm gebannt zuhörten. Emil Svanangen, alias Loney Dear, mimte gleich im Anschluss einen Alleinunterhalter auf höchstem Niveau. Seine weibliche Begleitung Malin, die mit hübschem Blumenkleid und Akkordeon die Bühne schmückte, stand zeitweise etwas unbeteiligt neben Svanangen, der sich als Looping-Künstler vor dem Herren bewies. Dazu hatte er sogar seine Schuhe ausgezogen, denn anders wäre es wohl nicht möglich gewesen, all die Pedale so schnell zu bedienen und die unterschiedlichen Songschnipsel mit den verschiedenen Instrumentaufnahmen in der richtigen Reihenfolge wieder zusammen zu bringen. Schließlich wurde er mit Minuten andauernden Standing Ovations belohnt.
Ewert And The Two Dragons aus Estland spielten in der überfüllten Pop Bar und glänzten vor allem mit ihrem kleinen Hit "Good Man Down". Pünktlich zum Auftritt von Chinawoman war es dunkel geworden, sodass ihre melancholischen, verruchten Songs in einer passenderen Atmosphäre zur Geltung kommen konnten. Sie hatte am Morgen die Hälfte ihrer Band in Berlin zurück lassen müssen, da es Probleme mit der Autovermietung gab. Statt des gewünschten Busses musste man mit einen geliehenen Kleinwagen vorlieb nehmen, in den neben dem Equipment nur Michelle Gurevich und Bandmitglied Diego Platz fanden. Die fehlenden Musiker mussten spontan durch Playback vom i-Pod so gut es ging vertreten werden.
Der 64-jährige Charles Bradely, "The Black Eagle Of Soul", dessen Mikrofon durch einen schicken, schwarzen Schwan geschmückt wurde, beeindruckte vor allem durch seine phänomenalen Tanzeinlagen. Da konnten die weißen Jungs aus seiner Band und alle anderen nur staunen. Apparat (Band) brachten daraufhin auch das Publikum mit ihrem Auftritt, der glücklicherweise nicht so ruhig war wie erwartet, zum Tanzen. Intensiv, laut, lebendig und hautnah zeigte sich Willis Earl Beal am Freitag im kleinen Tonstudio Keusgen. Mit gewaltigem Stimmvolumen performte er seine Songs A cappella, unter klatschender Begleitung des Publikums, unter Einsatz seines Gürtels als Rhythmusinstrument oder auch mit dem Abspielen von Tapes als Playback. Nachdem Willis Earl Beal das Publikum so mitgerissen hatte, hatte es der Amateur-Boxer und Wahlberliner Helmut recht schwer. Mit seinem Gesang konnte er leider nicht annähernd so überzeugen wie sein Vorgänger, zeigte aber eine gekonnte Looping-Show. Ohnehin, die eigenen Songs zu loopen war auf dem diesjährigen Haldern groß in Mode. Merrill Garbus aus Kanada, mit zwei Saxophonisten und einem Bassisten als tUnE-yArDs unterwegs, zeigte ebenfalls überzeugend, wie sie einzelne Instrumente nacheinander aufnehmen und als Song zusammengesetzt in vielen Variationen wieder abspielen konnte.
Unter den deutsch singenden Künstlern auf dem Festival überzeugte insbesondere Niels Frevert, der vor allem die männlichen Konzertbesucher glücklich stimmte, von denen viele jede Textzeile auswendig mitsingen konnten. Die Diagrams verteilten packungsweise bunte Luftballons zum Selbstaufblasen an die Zuschauer und lieferten somit auch für sich ein großartig anzuschauendes Finale mit buntem Tumult und glücklichen Menschen. Bei Team Me waren die Luftballons etwas größer ausgefallen. Gute-Laune-Musik, Sonnenschein und Konfetti-Bomben machten die Mischung perfekt. Dagegen wurde man bei Nigel Wright, der im zu warmen Spiegelzelt mit zu wenig Kraft in der Stimme seine Lieder trällerte, ein wenig schläfrig. Damien Jurado wusste da durch seine Musik und witzige Anekdoten besser zu beeindrucken. Er erzählte von einem Fan, der ihm begeistert mitteilte, er hätte zum zuvor gespielten Jurado-Song mit seiner Frau auf ihrer Hochzeit getanzt. Jurado brachte es nicht übers Herz, ihm zu erzählen, dass der Song von einer Trennung handelte, wünschte dem Mann aber viel Glück für seine Ehe. "I don't write love songs!" verkündete er daraufhin dem Publikum. Patrick Watson bot nicht nur eine einmalig lässige und Harmonie ausstrahlende Show auf der Hauptbühne, sondern überraschte mitsamt seiner Band mit einem spontanen Auftritt im dunklen Biergarten durch Songs über Fische im See und den "Yellow Sock Man" all die Festival-Besucher, die nach dem letzten Konzert noch nicht schlafen gehen wollten. Zuvor hatten sich Alt-J, mit ihrem Mix aus Folk, Hip-Hop-Elementen und wummernden Synthies, im Spiegelzelt als genau der richtige Main-Act für den letzten Festivalabend erwiesen.
Neben Alt-J sind auch viele andere Künstler unbedingt weiterzuempfehlen und zu Hause nochmals anzuhören. Da wären zum Beispiel die mitreißenden Alcoholic Faith Mission, der Belgier Daan, die White Rabbits, die Märchen erzählende Wendy McNeill, die Jungspunde von Oberhofer oder auch The British Expeditionary Force, die als Vertreter des Erased-Tapes-Labels dabei waren. Jedoch bleibt zu sagen, dass das Line-Up in diesem Jahr seine Schwächen hatte und auch einige unzufriedene Gemüter hinterließ. Aber der Sonnenschein und die Haldern-Atmosphäre machten da einiges wieder wett.
Nun darf man schon gespannt sein, welche Extras im kommenden Jahr 2013 aufgefahren werden, wenn es heißt: "Alles Gute zum 30. Geburtstag, liebes Haldern!". Hoffentlich kommt mit dem runden Geburtstag auch die Experimentierfreude bei der Bandauswahl zurück.
Weitere Fotos vom Haldern Pop 2012 findet ihr auf unserer Facebook-Seite!
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