Festival-Nachbericht

c/o pop


Ein Feuerwerk an Impressionen. Mit dieser kleinen und doch so bedeutungsvollen Phrase lässt sich die c/o pop in Köln wohl am besten beschreiben. Konzerte auf Dächern und Studios, in Clubs und auf der Straße, Designermärkte und Parties. Für den Kölner Eventkalender eigentlich nichts Besonderes, aber so konzentriert und so hochklassig wie zwischen dem 23. und 28. Juni 2010 ist es doch selten.

Fiel die Entscheidung am Mittwoch noch gegen die Eröffnungskonzerte von Klee und Shantel und für die Feier des Achtelfinaleinzugs von Jogis Jungs, standen am Donnerstag gleich zwei Knaller auf dem Plan. Die Telekom hatte einen ihrer beliebten Streetgigs in das c/o-pop-Programm gesteckt, die französischen Indiehelden Phoenix auf das Parkhausdach der Kölner Messe verfrachtet und so die Liste mit den schönsten Locations der Welt neu besetzt.

Hinter der Bühne tauchte die untergehende Sonne den Kölner Dom in ein atemberaubendes Licht, vor der Bühne tanzte die Menge und über der Bühne sorgte eine wackelige Halterung für eine zwanzigminütige Zwangspause – die Bewegung der Besucher hatte das Parkdeck zum Schwingen gebracht, die Beleuchtung musste neu fixiert werden. Das kümmerte das Publikum recht wenig und Phoenix selbst pfiffen auf das von den Behörden für 22 Uhr verordnete Konzertende, spielten die verpasste Zeit einfach nach und verließen nach dem großen Finale mit "1901" unter großem Jubel das Dach.

Im Stadtgarten hatte zur gleichen Zeit der Internationalpark begonnen, im helga-Interview der Geheimtipp von c/o-pop-Booker Tobias Thomas. Gleich zwei skandinavische Bands brauchten die komplette Breite der Saalbühne. Zu siebt sorgten Hjaltalin aus Island für eine ziemlich abgefahrene Mischung aus Disco, Chanson und Indie-Folk. Zuvor hatte die achtköpfige Band Pony The Pirate aus Oslo das vielleicht beste Konzert des gesamten Festivals abgeliefert und das leider recht kleine Publikum mit einem Mix aus Arcade Fire, den Shout Out Louds und Los Campesinos! zum Lächeln gebracht.

Im Studio 672, im Keller des Stadtgartens versteckt, stand nicht gefühlvoller Indiefolk auf dem Programm, hier wurde getanzt. JAMAICA aus Paris spielten soliden Indierock, die Casiokids aus Bergen das, was man von einer Band mit diesem Namen erwartet: von Videospielen geprägte Keyboardsounds plus Gitarre, Bass, Ananasrassel und mit Kopfstimme gesungene norwegische Texte bei den wenigen nichtinstrumentalen Songs.

Der Freitag Abend begann mit einer bösen Überraschung für all diejenigen, die mit ihrem Festivalbändchen zur Spex Live Party im Gloria wollten. Schuld war nicht das c/o pop Team – der Veranstalter des unabhängigen Partner-Events hatte einfach das Kontingent in den normalen Verkauf gegeben. Statt Bonaparte, Robyn, Caribou und dem Comebackkonzert von OMD begann für viele traurige Gesichter die Suche nach einem würdigen Ersatz.

Die Auswahl war groß genug. The Go! Team spielten auf den Opernterrassen, To Rococo Rot auf dem Dach des Museum Ludwigs, der Internationalpark im Stadtgarten ging in die zweite Runde, während im Bogen 2 der deutschsprachige Abend eingeläutet wurde. In der Hohenzollernbrücke gelegen und stets von in den Hauptbahnhof ein- und ausfahrenden Zügen erschüttert, schufen zunächst Hans Unstern und seine Band im flackernden Licht einer alten, rostigen Lampe und Videoanimationen für eine besondere Gänsehautatmosphäre, nicht zuletzt dank seiner großartigen Texte gehört sein Album "Kratz Dich Raus" zu den interessantesten Werken des Jahres.

1000 Robota dürften mit ihrer neuen Platte ihre Fans mit ihrem nach Gang of Four klingenden Sound zumindest verwundern. Musikalisch herausragend war das Konzert dennoch eher vom Auftreten Anton Spielmanns geprägt, der mit einer Mischung aus Ironie und Arroganz das Publikum mit Sprüchen bedachte und während des letzten Songs den Mikrofonständer in die erste Reihe kickte. Ganz anders Ja, Panik. Charmant, souverän und unterhaltsam, die Österreicher sorgten für einen angenehmen Abschluss des Abends.

Der Samstag stand ganz im Zeichen der frischen Luft. Auf dem Offenbachplatz präsentierten Designer ihre Shirts, Taschen und anderen Basteleien mal außerhalb der vielen dawanda-Onlineshops, eine Tombola und der Ice-Ice-Baby-Bioeis-Wagen wurden umlagert und vor dem Red-Bull-Tourbus warteten viele Fritz Kola trinkende Teenager auf Beat!Beat!Beat!. Die Jungs aus Viersen kletterten etwas verspätet auf das Dach des alten Vehikels, brachten die Menge aufgrund der Hitze nur langsam zum Tanzen, waren aber ein weiteres besonderes Erlebnis im Rahmen des Festivals.

Sonntags lud Wolfgang Stach in seine maarweg studios. Bereits am Freitag hatten hier John Goldtrain (Keshav PuruShotham von Timid Tiger) und Jack Beauregard gemeinsam gespielt. Für den zweiten Teil der maarweg sessions hatte Stach Jupiter Jones, Axel Bosse und Alice Rose gewonnen, die alle schon Songs in seinen Studios aufgenommen haben. Leider hatten nur knapp 30 Zuschauer die Chance genutzt, den klaren Studiosound und gemeinsame Songs der Künstler zu erleben. Für Stach war es dennoch ein besonderes Erlebnis, das auch außerhalb der c/o pop fortgesetzt werden soll.

Wie natürlich auch die c/o pop selbst. Und auch wenn manche Konzerte nur von wenigen Zuschauern besucht wurden, waren es am Ende mehr als 30.000, die auf all den Parties und Konzerten aufgetaucht sind und vermutlich begeistert waren, von diesem Feuerwerk der Impressionen.

Martin Korbach

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